08.05.2024. Eine trübe Brühe mit Blaualgen, die im Sommer droht umzukippen: Diese Zeiten des Wolfenbütteler Stadtgrabens sollen bald der Geschichte angehören. Stattdessen ist das Parkgewässer auf dem Weg dazu, Heimat für zahlreiche wasserliebende Pflanzen- und Tierarten zu werden. Dabei helfen drei schwimmende Inseln, die als Lebensraum und Nährstoffzehrer gleich mehrere ökologische Funktionen für das überdüngte Gewässer erfüllen. So jedenfalls, wenn der Plan des Angelsportvereins Wolfenbüttel aufgeht. Gemeinsam mit der Stadt Wolfenbüttel, dem AVN und unter großzügiger Förderung der Bingo-Umweltstiftung haben die Anglerinnen und Angler das Projekt ins Leben gerufen und die bepflanzten Eilande zusammen mit der Herstellerfirma (Rietmann) am Wochenende zu Wasser gelassen. Insbesondere Jungfische sollen profitieren und so vor Kormoranfraß besser geschützt werden.
Die „Multifunktions-Insel“
Eine Insel mit zwei Bergen ist es zwar nicht, aber doch erfüllt die 10 qm große, schwimmende Insel auf dem Wolfenbütteler Stadtgraben ähnlich viele erstaunliche Funktionen wie Lummerland bei Jim Knopf. Das floßähnliche Gebilde wurde zusammen mit zwei Schwesterinseln durch den ASV Wolfenbüttel bepflanzt und dann mittels Booten ins Wasser gebracht. Sie beherbergt bereits jetzt Feuchtpflanzen, wie Blutweidereich, Sumpfschwertlilie und Sumpfdotterblume. Die Blütenpracht bietet zahlreichen Fluginsekten Nahrung. Seitlich sind Rast- und Nistmöglichleiten für Wasservögel wie Teich- und Blässrallen angebracht. Doch auch unter der Wasseroberfläche geht die Wirkung weiter.
Wurzeln als Lebensraum
Die Wurzeln der Pflanzen ragen ins Wasser. Das ist ein Schutz für viele dort lebende Insektenlarven (wie Libellenlarven) vor allem jedoch für junge Fische. Andreas Maday vom AVN erklärt: „Hechte, Barsche und Zander sind nicht nur beliebte Angelfische. Als Raubfische sind sie auch wichtige Regulatoren gesunder Fischbestände. Doch so stattlich sie als ausgewachsene Tiere erscheinen mögen, so verletzlich sind sie als Jungfische. Ohne Versteckmöglichkeiten fallen sie ungehindert Raubvögeln oder größeren Artgenossen zum Opfer. Das ist vor allem im Winter, wenn Wasserpflanzen absterben, ein Problem.“ Am Stadtgraben fehlen gut strukturierte Ufer fast komplett, was sich auch auf den Fischbestand nachteilig auswirkt. Hier bieten die schwimmenden Inseln nun ganzjährig Abhilfe. Ein engmaschiger Netzkäfig, der das Wurzelwerk umschließt, gibt zusätzlichen Schutz: Kleine Beutefische passen hindurch, große Raubfische, Kormorane und andere gefräßige Räuber werden abgehalten. Das reduziert das Risiko im Winter gefressen zu werden und bietet auch sonst eine Ruhezone in dieser belastenden Zeit.
Effektiver Nährstoff-Filter
Auch für ein weiteres Problem des Stadtgrabens haben die —schwimmenden Inseln eine Antwort: Bislang war das Gewässer insbesondere durch das gutgemeinte Füttern von Stockenten und Nilgänsen extrem Nährstoffreich. Die Folge solch einer Überdüngung ist ein immenses Algenwachstum, das häufig bei sommerlichen Temperaturen zu Sauerstoffmangel führt. Dadurch sterben Fische und Kleinstlebewesen im Wasser aber auch für menschliche Erholungssuchende ist solch ein Gebräu wenig attraktiv. Hier wirkt die Maßnahme nun wie eine Pflanzen-Kläranlage: Die ins Wasser reichenden Wurzeln der Sumpfpflanzen entziehen dem Wasser Stickstoff und Phosphor. Einmal im Jahr vor dem Winter wird der Bewuchs gemäht und die Pflanzenmasse entfernt – wodurch der Nährstoffgehalt reduziert wird. Aus diesem Grund werden die schwimmenden Inseln auch in einem anderen EU Projekt an der Ostsee eingebracht.
Artenvielfalt
„Ich freue mich sehr über diese großartige Aktion des ASV Wolfenbüttel“, verrät Maday. Der Fischereibiologe fährt fort: „Die Wassergebundenen Tiere und Pflanzen sind viel stärker vom Artensterben betroffen als die Landlebewesen. Gleichzeitig hängen diverse Amphibien, Fisch- Singvogel- und Fledermausarten davon ab. Denn Insekten (viele verbringen ihr Larvenstadium im Wasser) stehen auf ihrem Speiseplan. Die schwimmenden Inseln schlagen gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe – und das mitten im Herzen der Stadt.“ Durch Infotafeln werden Besucherinnen und Besucher des Stadtparks zukünftig auf das Natur- und Artenschutzprojekt des ASV Wolfenbüttel zusammen mit der Stadt hingewiesen. Nun sind alle gespannt auf die Erfolgsmessung der „Wunderinseln“. Diese erfolgt in den nächsten Jahren mit Unterstützung des AVN.
Schwimmende Inseln werden vom ASV Wolfenbüttel mit Pflanzmatten versehen. © Andreas Maday (AVN)
Das Floß ist fertig bepflanzt. Im Frühling und Sommer wird es in voller Blüte erstrahlen. © Andreas Maday (AVN)
Per Boot bringen die Angler das künstliche Kleinod auf den Stadtgraben. © Andreas Maday (AVN)