Aliens im Fokus – Gebietsfremde Arten in Niedersachsen erkennen:
Wolgazander
(Sander volgensis)
gebietsfremd
Merkmale & Aussehen
Das optische Erscheinungsbild des Wolgazanders gleicht einer Mischung aus Zander und Flussbarsch. Die Körperform ähnelt der eines Zanders (Hauer 2014, Abb. 1). Das Muster mit den zum Teil sehr auffällig ausgeprägten, zumeist sieben Querstreifen, die an beiden Flanken mitunter bis zum Bauchansatz ragen, ist jedoch eher mit dem Streifenmuster von Flussbarschen vergleichbar. Anders als beim Zander fehlen dem Wolgazander jedoch die ausgeprägten Fang- oder Hundszähne im Ober- und Unterkiefer. Das ist mit Abstand das sicherste Unterscheidungsmerkmal. Beim Wolgazander ist zudem die erste Rückenflosse höher als die zweite und der Zwischenkiefer ragt anders als beim Zander nie über das Auge hinaus. Darüber hinaus sind die Kiemendeckel und Wangen beim Wolgazander beschuppt während sie beim Zander wenn überhaupt nur leicht beschuppt sind (Hauer 2014). Der Wolgazander hat mit 66-72 Schuppen deutlich weniger Schuppen entlang der Seitenlinie als der Zander (86-93 Schuppen, Specziár et al. 2009). Mit maximal 60 cm bleibt der Wolgazander auch deutlich kleiner als der Zander
Abb. 1: Wolgazander im Vergleich zu Zander und Flussbarsch. Das ausgeprägte Streifenmuster (Bilde links sowie rechts unten) sowie die fehlenden Hundszähle (rechts oben) sind sichere Bestimmungsmerkmale. © M. Emmrich/ AVN
Herkunftsgebiet & Ausbreitung
Der Wolgazander kommt ursprünglich in den nördlichen Zuflüssen des Schwarzen- und Asowschen Meeres in den Einzugsgebieten von Donau, Wolga und Ural vor (Kottelat & Freyhof 2007). Eine größere Population existiert auch im ungarischen Plattensee (Specziár & Bíró 2003).
In Niedersachsen wurden Wolgazander erstmals 2010 im Mittellandkanal bei Braunschweig gefangen. Dies war der erste Nachweis außerhalb seines natürlichen Verbreitungsgebietes. Vermutlich stammen die Wolgazander aus Besatzmaßnahmen mit vermeintlichen Zandern. In den folgenden Jahren wurden Fänge aus dem Mittellandkanal in ganz Niedersachsen und angrenzenden Bundesländern gemeldet. 2013 wurde erstmalig ein Wolgazander aus dem Elbe-Seitenkanal gemeldet, 2015 in der Elbe bei Magdeburg und 2019 im Abstiegskanal Rothensee (Sachsen-Anhalt). Auch in der unteren Mittelelbe zwischen Bleckede und Hamburg häufen sich die Fänge. 2022 wurde zudem ein Wolgazander in der Saale bei Calbe gefangen. Für die Weser existieren Nachweise bei Achim (2017) und neuerdings auch Bremen (2024). Ein Einzelnachweis liegt für den Dortmund-Ems- Kanal in NRW vor (2017).
Ob alle Wolgazander aus einer „Ursprungspopulation“ stammen, ist nicht geklärt. Fest steht aber, dass sich der Wolgazander in unseren Gewässern etabliert hat, sich eigenständig vermehrt und sich weiter ausbreitet. Es ist damit zu rechnen, dass in den Folgejahren eine Besiedlung des Havel- und Rheinsystems erfolgt.
Lebensweise
Der Wolgazander ist überwiegend dämmerungs- und nachtaktiv (Kottelat & Freyhof 2007). Im Jungstadium fressen Wolgazander Zooplankton und später am Boden lebende Kleinkrebse und Insektenlarven . Kleine Wolgazander fangen, anders als der Zander, erst später an sich überwiegend von Fisch zu ernähren (zumeist erst ab Längen von 20 cm (Specziár 2011)). Es werden bodennahe Beutefische bevorzugt. Bei gleicher Größe bevorzugen Wolgazander kleinere Beutetiere als Zander. Der Zander wird gegenüber dem Wolgazander als konkurrenzstärker eingestuft, da er schneller wächst und wesentlich größere Maximallängen erreicht (Specziár & Bíró 2003).
Wolgazander werden mit drei bis vier Jahren und ca. 20-30 cm geschlechtsreif. Sie laichen im Mai/Juni und zumeist später als Zander. Die Männchen bauen Nester in denen die Weibchen portionsweise die Eier ablegen. Ob die Wolgazandermännchen die Nester bewachen ist nicht final geklärt. Auf jeden Fall ist auch eine Dunkelfärbung der Männchen während der Laichzeit zu beobachten.
Wie und wo fange ich Wolgazander?
In der Literatur finden sich Hinweise, dass Wolgazander eine Vorliebe für strömungsberuhigte Gewässerbereiche haben. In den Schifffahrtskanälen werden sie regelmäßig im Bereich von Häfen und Wendebecken gefangen. Gängige Köder sind Tauwurm, Köderfisch sowie kleine schlanke Gummifische und Wobbler. Wolgazander dürfen ganzjährig entnommen werden. Sie haben in Niedersachsen keine Schonzeit und kein Mindestmaß.
Eine Gefahr für heimische Arten?
Aktuell sind keine negativen Auswirkungen auf heimische Arten bekannt. Jedoch ist anzunehmen, dass Wolgazander, Zander und Flussbarsch um ähnliche Nahrungsressourcen konkurrieren.
Wolgazander und Zander können hybridisieren, auch wenn Hybride in natürlichen Gewässern bisher nur extrem selten angetroffen werden (Müller et al. 2010). Die Hybride können ebenfalls fruchtbare Nachkommen produzieren, sodass potentiell die Gefahr der Ausbildung einer Mischpopulation von Wolgazander und Zander besteht. Das eindeutige Merkmal zur Unterscheidung von Wolgazander und Zander trifft auf Hybride nicht zu. Die Mischlinge können ausgeprägt Hundszähne haben oder nicht. Das erschwert eine Identifizierung der Hybride für Angler erheblich. Als einzig sicheres Bestimmungsmerkmal eignet sich nach aktuellem Kenntnisstand die Anzahl von Schuppen entlang der Seitenlinie. Wolgazander haben 66-72 Schuppen, Zander 86-93 Schuppen und Hybride 66-72 Schuppen entlang der Seitenlinie (Specziár et al. 2009).
Wusstet Ihr…,
… dass bisher keine Gewässer bekannt sind,in denen nur Wolgazander vorkommen? Überall wo der Wolgazander vorkommt, koexistiert er mit dem Zander.
… dass Wolgazander in Niedersachsen zumeist 7 Streifen haben, obwohl in der Literatur 6 bis 9 Streifen beschrieben werden?
Literatur
Hauer W. (2014) Zander oder Wolgazander, das ist hier die Frage? Österreichs Fischerei 67, 23–26. Kottelat M. & Freyhof,J. (2007) Handbook of European freshwater fishes. Publications Kottelat.
Müller T., Taller J., Kolic, B., Kovács B., Urbányi B. & Specziár A. (2010) First record of natural hybridization between pikeperch Sander lucioperca and Volga pikeperch S. volgensis. Journal of Applied Ichthyology 26, 481–484.
Specziár A. (2011) Size-dependent prey selection in piscivorous pikeperch Sander lucioperca and Volga pikeperch Sander volgensis shaped by bimodal prey size distribution. Journal of Fish Biology 79, 1895–1917.
Specziár A., Bercsényi M. & Müller T. (2009) Morphological characteristics of hybrid pikeperch (Sander lucioperca female × Sander volgensis male) (Osteichthyes, Percidae). Acta Zoologica Academiae Scientiarum Hungaricae 55, 39–54.
Specziár A. & Bíró P. (2003) Population structure and feeding characteristics of Volga pikeperch, Sander volgensis (Pisces, Percidae), in Lake Balaton. Hydrobiologia 506–509, 503–510.
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