Bürgerwissenschaftenprojekt bestätigt: Ein Großteil unserer Bäche ist in keinem guten ökologischen Zustand. Im FLOW-Projekt erforschen Bürgerinnen und Bürger gemeinsam mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern den ökologischen Zustand von kleineren Fließgewässern. Auch AVN-Mitgliedsvereine beteiligen sich an der Aktion. Nun liegt nach drei Jahren Forschung ein Bericht vor, dessen bundesweite Ergebnisse alarmierend sind: Wirbellose Kleinstlebewesen sind in 60 Prozent der untersuchten, landwirtschaftlich geprägten, Bäche von Pflanzenschutzmittel-Einträgen beeinträchtigt. In Bezug auf die Gewässerstruktur verfehlen 65 Prozent der landwirtschaftlichen Probestellen den guten Zustand gemäß Wasserrahmenrichtlinie. Umweltpolitische Ziele wurden also weit verfehlt. Auch die AVN-Vereine AV Groß Schwülper und FV “Früh Auf” Celle beteiligen sich seit langer Zeit an dem Projekt.
Ehrenamtliche untersuchen Bäche
Im Rahmen des FLOW-Projekts haben von 2021 bis 2023 insgesamt 96 Freiwilligengruppen mit über 900 Teilnehmenden bundesweit 137 Bäche untersucht. Die Aktion wurde initiiert und begleitet vom Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) und dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ). Helferinnen und Helfer haben an Schulungen teilgenommen, Freiwillige motiviert, Umweltämter kontaktiert, Monitoringeinsätze organisiert und schließlich ihre Gewässerdaten übermittelt. Unter den Ehrenamtlern sind auch viele Angelvereine. Bei einer Konferenz in Leipzig wurden nun die Ergebnisse vorgestellt. Der AVN war mit zwei Postern über Aktionen beim Angelsportverein Groß Schwülper und Fischereiverein “Früh Auf” Celle vertreten.
Celler Anglerjugend lernte faszinierende Wasserbewohner kennen
Die Jugendgruppe des FV Celle ist von Anfang an mit ein bis zwei Terminen im Jahr beim FLOW-Projekt dabei. Sie hat schon mehrere Abschnitte von Franzosengraben und Osterbruchkanal im Landkreis Celle untersucht. Die Kinder, Jugendlichen und ihre Betreuer haben dabei viel über den Lebensraum und seine Bewohner gelernt: Beispielsweise, dass Zuckmückenlarven bei Sauerstoffmangel rot gefärbt sind und Kriebelmückenlarven wie in der Disco „tanzen“, wenn sie ihre Nahrung aus dem Wasser filtern. Auch der direkte Zusammenhang zwischen schlammigem oder kiesigem Gewässergrund und den verschiedenen Tierarten war sehr deutlich zu sehen. Die älteren erfahrenen Angler konnten so manche Anekdote über die früher reichlich vorkommenden Köcherfliegen (sog. „Sprock“ in der Anglersprache) erzählen und einen Bezug zu Umweltveränderungen herstellen.
Pestizide scheinen auch die Artenvielfalt im Bickgraben in Groß Schwülper zu beeinflussen
Im Bickgraben in Groß Schwülper war das Massenvorkommen von Gammariden am Auffälligsten. Es wurden ca. 2000 dieser kleinen Flohkrebse gefangen. Dagegen kamen andere Arten wie Eintags- und Köcherfliegen nur in kleineren Anzahlen vor, Libellenlarven wurden gar nicht gefunden. Die Auswertung nach dem SPEAR-Index zeigte dann auch, dass kaum Pestizid-empfindliche Arten vorkamen. Dies ließe sich vermutlich mit dem stark landwirtschaftlich genutzten Einzugsgebiet der untersuchten Gewässer erklären.
Auf der Suche nach Lösungen
Bei der Konferenz wurden viele Gespräche geführt. Die Teilnehmenden tauschten sich über gelungene Aktionen oder eventuelle Schwierigkeiten aus und gaben sich gegenseitig Anregungen zu Renaturierungsmaßnahmen. Denn das bundesweite Untersuchungsprogramm soll nicht nur ein Bewusstsein schaffen, wie schlecht es um unsere Gewässer bestellt ist, sondern auch Lösungsmöglichkeiten und Verbesserungsvorschläge erarbeiten.
Ausgezeichnetes Projekt
Mittlerweile hat das Projekt hohe Wellen geschlagen, erreichte mit der ARD-Aktion „#UnsereFlüsse“ eine große mediale Aufmerksamkeit und wurde im Jahr 2024 mehrfach ausgezeichnet: Mit dem Forschungspreis “Wissen der Vielen” und als eines von TOP-10 Projekte des UN-Dekade Wettbewerbs zur Ökosystem-Wiederherstellung im Bereich “Gewässer und Auen“. Eine Fortsetzung des Projekts ist auch in 2025 geplant. Der AVN wird seine Vereine dann auch weiter bei der Teilnahme unterstützen.
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Studie zu den FLOW-Ergebnissen
ARD-Mitmachaktion #unsereFlüsse
Forschungspreis “Wissen der Vielen”
UN-Dekade Wettbewerbs zur Ökosystem-Wiederherstellung im Bereich “Gewässer und Auen”
© Foto & Poster: AVN/ Katrin Wolf