
Wer sich mit dem bewegten Leben und den erstaunlichen Fähigkeiten des europäischen Aals (Anguilla anguilla) beschäftigt, der kann davon eigentlich nur begeistert sein. Denn der faszinierende Fisch laicht nirgendwo sonst, als in der Sargassosee, südlich von Florida und kehrt dann bis nach Nordeuropa zurück. Auf dieser bis zu 6000 kilometerlangen Wanderung begegnet der schlangenförmige Weltenbummler allerdings einer Vielzahl an Hindernissen: Stauwehre, Gewässerausbau oder illegaler Aalschmuggel nach Asien sind einige Ursachen, die den Wanderfisch auf die Rote Liste gefährdeter Arten gebracht haben. Auch deshalb wurde der Aal zum Fisch des Jahres 2025 gekürt. Der Anglerverband Niedersachsen koordiniert in Niedersachsen das vom Land und EU geförderte Aalbesatzprogramm und hat zum Aal-Jahr 2025 spannende Materialien zu seinem Lebenszyklus erstellt. Entdeckt hier unser kleines Animationsvideo zur gefährlichen Reise eines bedrohten Überlebenskünstlers und einige Schaubilder, die wir für Euch erstellt haben. Übrigens: AVN-Mitgliedsvereine können die hier dargestellten Grafiken und das Video im Mitgliederbereich herunterladen und für ihre Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit verwenden!
Europäische Aale wandern bis zu 6.000 Kilometer, um sich zu paaren!
Jedes Jahr, zumeist zwischen Januar und März, geschieht in der Nähe der Bermudas ein Naturwunder, das bis zu uns in Norddeutschland zu spüren sein wird: Große Aale von bis zu 1,5 m Länge paaren sich. Blankaale werden die Elterntiere aufgrund ihrer hellen Färbung genannt. Für den Liebesakt in der Sargassosee sind sie bis zu 6.000 km durch Europas Bäche, Flüsse, Meere und schließlich den Atlantik geschwommen, um danach im Alter von 10-30 Jahren Millionen von Eiern zu legen und ihr Leben zu beschließen.
Die erstaunliche Wanderroute des Aals. ©AVN
Aal-Nachwuchs reist drei Jahre lang zurück nach Europa
Der Aal-Nachwuchs macht sich gleich nach dem Schlupf auf den Weg nach Europa. Die millimeterkleinen Larven entwickeln sich nach einigen Wochen zu sogenannten Weidenblattlarven – ein Name, den sie aufgrund ihres Aussehens erhalten. Zwei bis drei Jahre lassen sich die Jungtiere vom Golfstrom treiben. An den europäischen Küsten angekommen haben sich die Weidenblattlarven dann zu sogenannten Glasaalen gewandelt. Diese sehen ausgewachsenen Aalen von der Form schon ganz ähnlich, sind aber nur rund acht bis zehn Zentimeter lang und – wie der Name bereits verrät – durchsichtig.
Der ewige Kreis: Lebenszyklus des Aals. © AVN
Die feinste Nase im Tierreich
Glasaale wandern Flüsse und Bäche herauf, wo sie zu stattlichen Gelbaalen heranwachsen. Auf ihrer langen Reise nutzen die Tiere erstaunliche Fähigkeiten: Aale können so gut riechen, dass sie einen Tropfen Parfüm in der dreifachen Menge Wasser des Bodensees ausfindig machen könnten. Und wenn sich ihnen ein Hindernis in den Weg stellt, können sie kleine Strecken sogar schlängelnd über Land zurücklegen und dabei Luftsauerstoff über ihre Haut atmen. Doch seit einiger Zeit nimmt die Reise der Glasaale an Europas Küsten ein jähes Ende.
Glasaal auf Wanderschaft. © Florian Möllers (AVN)
Glasaale beim „Pausemachen“: Um nicht gefressen zu werden, verstecken sich junge Aale zum Ruhen im Sediment. © Florian Möllers (AVN)
Wasserkraftwerke werden zur Todesfalle
Von den vor 40 Jahren in vielen Flüssen zu beobachtenden riesigen Schwärmen von Abermillionen Glasaalen ist heute fast nichts mehr geblieben. Seit den 1980er Jahren ist das Glasaal-Aufkommen an den europäischen Küsten um mehr als 95% zurückgegangen.Wasserkraftwerke und Wehre versperren wandernden Aalen ihren Weg flussaufwärts. Auch Blankaale, die den Rückweg antreten wollen, werden davon nicht verschont. Einmal in eine Turbine geraten, helfen den Tieren auch ihre bereits beschriebenen Fähigkeiten nicht weiter. Quetschungen, Stauchungen, Wirbelbrüche, Verstümmelungen und Tod sind die Folgen. Aktuell werden in deutschen Flüssen nach moderaten Schätzungen jährlich rund 270 Tonnen abwandernde Blankaale durch Wasserkraftanlagen und Kühlwasserentnahmen getötet. Das entspricht einer Zahl von rund einer halben Million getöteter Tiere. Fischtreppen und andere Wanderhilfen erfüllen häufig nicht ihren Zweck, weil sie von den Tieren beispielsweise nicht gefunden werden.
Verendeter Blankaal nach Passage einer Wasserkraftturbine in der Weser. © Matthias Emmrich (AVN)
Aal als Schmuggelware: Teurer gehandelt als Kokain!
Damit nicht genug, werden zig Millionen Glasaale für den seit 15 Jahren illegalen Export nach Asien gefangen. Dort gelten die Tiere als Delikatesse. Das Geschäft ist lukrativ, die Strukturen mafiös: Der Schwarzmarktpreis für einen Kilogramm Aale liegt teils über dem von Elfenbein oder Kokain.
Video zur erstaunlichen Reise des Aals aud Youtube anschauen. © AVN
Und noch mehr Probleme…
Auch haben Aale natürliche Feinde: Krankheiten wie der Aalherpes, unappetitliche Parasiten wie der Schwimmblasenwurm oder Fressfeinde wie Kormorane oder Robben gehören beispielsweise dazu. Weitere menschengemachte Probleme sind Schadstoffe, wie Dioxine und nachteilige Veränderungen von Gewässerlebensräumen durch Begradigungen von Fließgewässern. Natürlich hat auch die Fischerei einen Einfluss. Doch gibt es seit dem Jahr 2023 in Niedersachsens Küstengewässern ein Aalfangverbot. Und: In Niedersachsen tun Angelvereine viel für den Arterhalt von Aalen.
Mehr zum Thema Aalfangverbot: https://www.av-nds.de/faq/wo-und-wann-darf-man-in-niedersachsen-auf-aal-angeln/
Hoffnung für den europäischen Aal
Um dafür zu sorgen, dass in Norddeutschlands Flüssen trotzdem noch Aale vorkommen, koordiniert der Anglerverband Niedersachsen ein besonderes Programm: Glasaale werden in Frankreich von zertifizierten Fischereibetrieben mit streng regulierten Quoten gefangen und dann per Lastwagen an allen Hindernissen vorbei bis nach Niedersachsen gefahren. Dort werden sie von Angelvereinen wieder in die Freiheit entlassen. Die Kosten übernehmen zu 60% die EU und das Land Niedersachsen. Den Rest stemmen die Anglerinnen und Angler aus ihren Vereinskassen. Die ganze Aktion läuft im Rahmen des niedersächsischen Aalförderungsprogramms seit dem Jahr 2010 . In diesem Jahr kommt noch eine großzügige Spende des Vereins Aalinitiative e.V. dazu. AVN-Biologe Ralf Gerken konstatiert: „Im Jahr 2025 haben wir ein Rekordhoch an Aalbestellungen unserer Angelvereine für den Arterhalt. Angler sind somit wichtige Stützen für den bedrohten Fisch und bringen weit mehr Tiere aus, als sie für den Eigenbedarf entnehmen.“ Diese Aussage wird – Stand Februar 2025 – auch durch den Umsetzungsbericht zum nationalen Aalbewirtschaftungsplan (IFB, 2024) unterstützt: Dieser scheint – auch dank der Besatzmaßnahmen der Angelvereine – endlich ein Ende des Abwärtstrends vom Aalbestand festzustellen. Trotzdem ist die Maßnahme nur eine Krücke und der Aalbestand alles andere als rosig. Dauerhaft müssten Gewässer wieder durchgängig werden und illegaler Aalschmuggel unterbunden werden.
Arterhalt auf Rädern: Die Glasaale werden von Frankreich an Wanderhindernissen vorbei nach Niedersachsen transportiert. © Florian Möllers (AVN)
Die geschützten Aale werden im Rahmen des Aalförderungsplans von Angelvereinen in Niedersachsens Flüsse und Bäche ausgebracht. © Florian Möllers (AVN)
Projektkoordinator Ralf Gerken vom Anglerverband Niedersachsen (AVN) bringt kleine Glasaale aus. © Florian Möllers (AVN)
Service für AVN-Mitgliedsvereine
AVN-Mitgliedsvereine finden diese Materialien zum Download im Mitgliederbereich: